[ Pobierz całość w formacie PDF ]

Anträge um Rehabilitation werden Ihnen übrigens be-
kanntlich derartig selten unterbreitet, daß wir uns nicht
enthalten können, dem Antragsteller zu dem bereits al-
lerhöchstenorts ausgesprochenen Beifall über sein Ver-
halten auch den unsern zu bezeigen.«
Das Richterkollegium beriet sich kurz, ohne erst hinaus-
zugehen. Dann erhob sich der Vorsitzende und sprach
das Erkenntnis aus.
Diese feierliche Formel erschütterte den nunmehr rehabi-
litierten Birotteau auf das tiefste. Er war in seiner freudi-
gen Erregung nicht imstande, seinen Platz vor den
Schranken zu verlassen. Er saß wie festgenagelt. Onkel
Pillerault mußte ihn am Arme fassen und aus dem Saal
hinausführen. Seine Freunde schmückten ihn mit der
Rosette der Ehrenlegion. Cäsar hatte bisher dem Befehl
Ludwigs XVIII. Widerstand geleistet. Im Triumph gelei-
tete man ihn an den Wagen.
»Wohin fahren wir, meine lieben Freunde?« fragte er
Joseph Lebas, Ragon und Pillerault, die im Begriff wa-
ren, mit einzusteigen.
»Nach deiner Wohnung!«
382
»Nein! Es ist jetzt gerade drei Uhr und ich will von mei-
nem Recht Gebrauch machen: fahren wir zusammen nach
der Börse!«
»Nach der Börse!« befahl Pillerault dem Kutscher, indem
er Lebas besorgt ansah. Es kam ihm vor, als zeige der
Rehabilitierte beunruhigende Symptome. Er fürchtete,
Cäsar könne vor Freude verrückt werden.
Arm in Arm mit Lebas und Pillerault betrat Birotteau den
Börsensaal. Ragon folgte. Die Rehabilitation des ehema-
ligen Parfümhändlers war daselbst bereits bekannt ge-
worden. Der erste, den die drei Eintretenden zu Gesicht
bekamen, war du Tillet.
»Mein verehrtester Prinzipal, ich bin entzückt, Sie hier zu
sehen! Sie haben sich ganz famos herausgewickelt! Na,
ich habe ja auch zur glücklichen Beendigung Ihrer Lei-
denszeit mit beigetragen, als ich mir vom kleinen Popinot
mit Wonne eine Feder aus dem Steiß ziehen ließ. Ich
freue mich über Ihr Glück so sehr, als wäre mir's pas-
siert!«
»Ja, ja, freuen Sie sich nur, denn Ihnen wird so was nie
passieren!« brummte Pillerault.
»Wie meinen Sie das, Herr Pillerault?«
»Natürlich im allerbesten Sinne!« gab Lebas an Stelle
des Gefragten lachend zur Antwort.
Im Nu war Birotteau von den vornehmsten Kaufleuten
umdrängt. Es gab eine allgemeine Börsenhuldigung. Er
383
nahm die schmeichelhaftesten Händedrücke und Glück-
wünsche entgegen, die bei den Fernerstehenden hier Neid
und da ein böses Gewissen erregten. Gigonnet und Gob-
seck, die in einer Ecke des Saales zusammenstanden und
schacherten, schielten auf Birotteau wie auf ein neues
Weltwunder.
Nachdem sich Cäsar am Weihrauch seines Triumphes
berauscht hatte, stieg er wieder in seine Droschke und
fuhr nach Popinots neuem Heim, wo der Ehevertrag sei-
ner geliebten Tochter und des treuen Anselm unterzeich-
net werden sollte. Seinen drei ihn begleitenden Freunden
fiel seine nervöse Fröhlichkeit auf.
Das Hochzeitsdiner, das seiner in seinem alten Hause
wartete, war von Anselm und Konstanze mit der größten
Liebe vorbereitet worden. Ein Hochzeitsball sollte sich
anschließen. Es waren eine Menge Gäste geladen. Abbé
Loraux vertrat den Großmeister der Ehrenlegion. Der
Präsident des Handelsgerichts fehlte nicht. Camusol war
von Popinot gebeten worden zu kommen, um ihm für die
seinem Schwiegervater reichlich erwiesenen Aufmerk-
samkeiten Dank zu bezeigen. Auch Herr von Vandenesse
und Herr von Fontaine waren erschienen.
Das Brautpaar war bei der Wahl der Gäste sehr bedacht-
sam zu Werke gegangen; denn beide, Anselm wie Cäsa-
rine, empfanden eine gewisse Scheu vor allzu großer
Öffentlichkeit.
Die Wohnung erinnerte in vielen Dingen an jenen ver-
hängnisvollen Ballabend, aber weder Konstanze noch die
Liebesleute sahen in der vorbereiteten Überraschung eine
384
Gefahr für Cäsar. Man erwartete ihn mit geradezu kindli-
cher Freude.
Als der Ankommende, noch ganz unter der erregenden
Nachwirkung des unbeschreiblichen Eindrucks, den die
ehrenvolle Aufnahme an der Börse auf ihn gemacht hatte,
in der Diele seines ehemaligen Hauses Herrn von Vande-
nesse, den Oberbürgermeister und den berühmten Vau-
quelin neben Konstanze, Cäsarine und Anselm erblickte,
da fiel ein leichter Schleier über seine Augen. Pillerault,
auf dessen Arm sich Birotteau stützte, beobachtete seine
riefe Erregung.
Es ist zu viel für ihn! sagte er sich; er verträgt es nicht.
Die Freude aller Anwesenden war so lebhaft, daß man
Cäsars Erregung ganz natürlich fand. Er war wie be-
rauscht, Dieselbe Musikkapelle spielte wie zu jenem
Ballfest, das Birotteaus Unglück eingeleitet hatte. Cäsars
müdes Herz erbebte, als er die Klänge der großen Sym-
phonie Beethovens wieder vernahm. Man wollte ihm
damit eine besondere Freude bereiten: die ganze über-
standene Leidenszeit gleichsam überbrücken. Niemand
von den Anwesenden ahnte jedoch, daß dem unglückli-
chen Kaufmann das Finale gerade dieser großartigen
Symphonie seit seinem Unglück nicht wieder aus den
Ohren gewichen war.
Tiefergriffen und überwältigt von den Mysterien der
himmlischen Musik nahm Cäsar den Arm seiner Frau
und sagte zu ihr mit einer durch einen zurückgehaltenen
Blutstrom erstickten Stimme:
385
»Mir ist gar nicht wohl!«
Die erschrockene Konstanze führte ihn in sein Zimmer.
Als er mit Mühe dahingelangt war, sank er in einen
Lehnstuhl und rief leise:
»Herr Loraux!«
Der Abbé kam. Die Gäste folgten und bildeten bestürzt
eine Gruppe um Birotteau. In Gegenwart aller der fröhli-
chen, festlich gekleideten Menschen umklammerte Cäsar
die Hand seines Beichtvaters und lehnte sein Haupt an
den Busen seiner vor ihm knienden Frau. In seiner Brust
war ein Gefäß gesprungen. Das Blut erschwerte ihm den
letzten Atemzug.
»So stirbt ein Gerechter!« verkündete der Priester mit
ernster Stimme.
386 [ Pobierz całość w formacie PDF ]
  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • wyciskamy.pev.pl